Regisseur und Maria und Hans«Mit em Pure bin i fertig.»
Im „Ochsen“ wird in bester schweizerischer Volkstheatertradition Jeremias Gotthelfs Anne Bäbi Jowäger geplant, besetzt und geprobt. Natascha, die schon in „Ueli der Knecht“, der letzten Produktion der Oberemmentaler Spiel-leute, die wüste Magd Stini verkörpern musste, möchte lieber nicht auch noch das ungattlige Mädi, sondern viel lieber das sittsame schöne Meyeli spielen. Schliesslich hat Natascha in Sachen Theater seit Jahren geheime Ambitionen, die es endlich zu verwirklichen gilt. Von der Tatsache, dass sie sich gerade von ihrem Freund Jack trennt, der als ihr Bühnenbräutigam Jakobli schon gesetzt ist, möchte sie sich dabei nicht abhalten lassen.
Es ist die Welt, in der sonst nichts mehr ist, so wie es auch bei Gotthelf nie war.
«Mir hei lang gnue puret.»

Besetzung 4 Frauen / 4 Männer
Bild Gaststube, Säli, Saal (Bilder in Andeutung)

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Erste Szene: Hauptprobe
Auf der Bühne steht die Rückseite einer kleineren Bühne mit Vorhanggerüst und einem einfachen, hölzernen Rollgestell zum Transport eines breiten Bandes mit aufgemalter Landschaft. Sami und Hansli mit Gabeln ganz vorne auf der Bühne beim Misten.
Marija/Erz. hinter dem Rollsystem in Arbeitstracht. Spielt gegen die Wand, als wäre dort das Publikum.
«Wenn er an Meyeli dachte, und dass er es haben könnte, so kam’s ihn an zu jauchzen und zu pfeifen, und es schien ihm, als rüsteten die Engel im Himmel schon Geigen und Posaunen, um ihm zu helfen. Kroch ihm dann wieder unter dem Deckbett hervor wie ein schleichend Ungeheuer der morndrige Tag vor die Seele, dann zitterte und bebte er, und seine Seele war bitter betrübt. Fand er es wohl noch? Wollte es ihn wohl? Und wie sollte er es anfangen, um zu ihm zu kommen? Die drei Fragen waren dreien Wolken gleich und hüllten in Nacht seine Seele.
Am folgenden Tag weckte Jakobli niemand; es war aber auch nicht nötig; es war vielmehr wunderlich, wie etwas ihn zur Eile antrieb.»
Jack/Jakobeli vernarbtes Gesicht und Augenbinde, hilflos mit Halstuch. Muetter… Müetti…
D./Anne Bäbi Es selige Gstabi,
wo wott ga wybe,
sött das sälber chönne.
Michaela/Mädi Ig chönnt dr’s ja wohl
Glych nit rächt preiche.
Aber we d wottsch
Stecke dr e Klapperrose
Und e Stroublueme uf e Huet. Ab.
D./Anne Bäbi putzt sich Hände an nassem Waschlappen. So gib! Zieht ihm das Halstuch fest zusammen.
Jack/Jakobeli Nit, nit, Muetter! Du erworgisch mi!
D./Anne Bäbi So, chan i’s dr scho nimme preiche?
Es ischt de guet, dass de für e angeri luegsch;
Lue de ume, dass es die besser macht!
Jack/Jakobeli Ig sött no es Chlyseli Gäld ha,
mys reut mi schier, es isch gar schöns.
D./Anne Bäbi Ig ha kes. Hättischt du sörger gha,
so hättischt no!
Öppe so für eini ga azstelle,
wo ume ei Chittel het u ume es halbs Gloschli,
düecht’s mi, du bruchtischt keni Neutaler,
du chönntisch’s mit Münz o.
Jack/Jakobeli I ha o keni, Muetter.
D./Anne Bäbi I o nit, heusch em Alte! Ab.
Jack/Jakobeli geht zu Hansli, der mit Sami mistet, das heisst, mit einer Gabel Mist auf dem Acker verteilet.
Ig sött es Chlyseli Gäld ha,
mys reut mi schier,
es isch gar schöns.
Hans/Hansli He jo, öppe es Schübeli Gäld isch aständig,
we me wott uf d Wybig;
i will ga luege, ob i no fing. Ab.
Jack/Jakobeli nimmt Hanslis Gabel, mistet mit. Aber Sami, du?
Wie söll i das o astelle,
dass i zuen ihm chume?
Holger/Sami ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
He, gang i ds Wirtshuus oder i d Pinte.
Es wird wohl nöijs
dr Gattig dert sy.
U gib emene Bueb e Halbbatze
oder e Chrüzer.
Er söll dem Meitli ga säge,
es wart ihm e Vetter
u wett nöijs mit ihm rede.
U we’s de chunnt,
De mach nit lang Fäderläsis
u verwörg’s im Hals.
Fahr grad use mit dr Sach,
so weischt, wora de bischt.
Aber mach, dass es alleini triffsch
U dr niemere drymöögget.
U setz nit lugg
bis es vüre ischt mit dr Red!
U wenn es de ja seit,
de gang mit ihm zu syne Lüte
die wärde Hansli Jowäger
wohl kenne u öppe nüt drwider ha.
Gang de grad mit ihm’s ga agä.
We’s ume afe verchündet isch.
Das isch ds Fundamänt.
Da cha me die Zyberliblodere la gumpe
wie ne Elefant uf em Seili,
es macht de nüt meh.
Jack/Jakobeli Uh, Sami.
Hans/Hansli mit ledernemGeldbeutel. Chascht’s äch mache?
Jack/Jakobeli O bhüetis, Ätti, ich ha ume zvil.
Hans/Hansli He nimm se! We d se nit bruchscht,
so sy sie es angermal o no guet.
Maija/Erz. dreht Rolle mit Landschaftsband, hinter welchem Jakobli sich stumm verabschiedet und dann in einer Mischung zwischen Treten an Ort und panto-mimischem Gehen ausschreitet. «Es war ein kühler Herbstmorgen, als Jakobeli auf den Weg sich machte. Tief in die Bäume hinein hing der Nebel, tropfte fast wie Regen von den Blättern, und nass wurden die Haare der Wanderer.
Gar seltsam ging es in ihm zu.
Fast zwanzig Jahr war er da abgesessen, wo man ihm gezeigt hatte, dass er absitzen sollte, und war da gestanden, wohin ihn die Mutter gestellt, und war gegangen, wohin sie ihn geheissen, sogar auf den Zyberlihoger, obgleich ihm das Herz dabei blutete. Jetzt war es das erste Mal, dass er etwas erzwänget hatte, er wusste eigentlich nicht, wie, und etwas ausführte, was seinem eigenen Kopf entsprungen war und mit eigenen Kräften, aber mit erschrockenem Herzen. Ein Weib wollte er sich holen; das klang ihm so ernst und feierlich, als läute man zusammen in seinem Herzen, als sei seine Seele eine Orgel und hohe Klänge führen darüber hin. Wenn er bloss an sein liebes Meyeli dachte, so war’s, als ginge die Sonne auf, und alle Vögelein sängen und alle Blümlein nickten, und als schwömme er im Himmelreich, und schüchtern schloss er die Augen, und zagend hob er dazu seine Füsse.
Es dünkte ihn, wenn der liebe Gott es recht gut mit ihm meinte und ihn auch ein wenig lieb hätte, so liess er ihn dem Mädchen begegnen gerade hier auf dem Felde, wo fast keine Leute waren, da die meisten Pflanzeten aller Art auf der anderen Seite des Dorfes lagen.
Da plötschte er mit etwas Hartem zusammen, ein heller Schrei gellte ihm in die Ohren, er fuhr zusammen, dass auch er bald geschrien hätte, und als er den Schaden umsah, stand vor ihm das Meitschi mit den gelben Züpfen; einen Korb hatte er ihm beim Zusammen-plötschen vom Kopf gestossen, weit umher lagen die Rübli zerstreut.» Ab.
Nat./Meyeli rot vor Schreck. Bisch du dä,
wo da ume Egge chunnt
wie ne Schutz?
Bis Gottwilche, u wo wotsch uus?
Jack/Jakobeli reicht ihr die Hand. Ähh…
Nat./Meyeli I ha gar e wüeschti, ich muess se zersch abwüsche;
aber säg mr, wo wottsch uus?
Jack/Jakobeli behält die Hand in der seinen. Nit wyt wott i, ume bis zu dir.
Nat./Meyeli Öppe wäg em Dokter,
wo d Base dokteret het?
Jack/Jakobeli Nei, wäge dyne chummen i.

Nat./Meyeli Wäge myne?
Dir wärdet e Jumpfere mangle;
Aber ig cha wäger nit cho.
Wenn i scho gärn wett.
Dr Vetter isch itz alleini u het niemere,
dä d Hushaltig macht
u öppe zu de Ching luegt.
Jack/Jakobeli E Jumpfere hei mr,
u die blybt emel einischt,
aber i mangleti e Frou
u ha welle cho frage,
ob du se sy wettisch?
Nat./Meyeli I muess hei, es wird Zyt,
Zmittag z choche,
u was wird dr Vetter säge,
wenn i my Zyt
mit dr Narre trybe verbruchti?
Adie wohl!
Jack/Jakobeli Meyeli, es ischt mr ärnscht
u i trybe nit dr Narre;
ig möchti di gfragt ha,
ob du mi wettisch zum Ma,
und ob i dir nit z wüeschte bi?
Nat./Meyeli Z wüeschte? Nei wäger nit;
es het mr no nit eine bas gfalle weder du,
und ja fryli, i wett di scho näh,
aber es ischt dr nit ärnscht.
Was wettsch du afa,
mit emene selige arme Meitschi,
wie i bi?
Jack/Jakobeli He, i mangle ke Rychtum,
mir hei üsi Sach öppe,
dass mir’s chönne mache,
wenn i scho nüt erwybe.
U du bischt mr im Sinn gsy
vom erschte Mal a,
wo di gseh ha,
un express
chummen i di cho frage,
ob du mi liebe chönnischt
u mi mögischt,
we de nit öppe e angere hesch?
Nat./Meyeli Nei, vo sälbem schwyg mr!
Es het mi no kene bigährt,
u ig hätt kene möge.
Jack/Jakobeli U mi?
Nat./Meyeli Di vo Härze gärn, bhüetis ja!
A so öppis hätt i doch nie dörfe sinne;
aber was wärde dyner Lüt säge?
Jack/Jakobeli Die sy zfride u wüsse, wohi i bi.
Nat./Meyeli Aber i wirde doch z arm sy,
u we sie scho nit drwider sy,
so wärde sie mi doch verachte u nüt schetze.
Jack/Jakobeli Häb nit Chummer, uf e Rychtum hei sie nit z luege
u hei mängsicht gseit, druuf chöm’s nit a,
mr heige öppe, dass mr’s mache chönne,
u die, wo nachechömme, öppe o.
Nat./Meyeli Nei, aber was wird dr Vetter säge,
wenn er’s vernimmt?
Dä wird lose!
U het mr so mängisch gseit,
i überchöm ke Ma;
ig syg z brings derfür
u z bös u z bleichs;
u itz han i eine u no e selige!
Fällt Jakobeli um den Hals und sie küssen sich. Natascha schreit und geht zu Boden während vor ihr der Vorhang fällt. Jack macht einen Schritt zurück, lässt offen, was genau passiert ist.
Michaela, Dagmar, Holger, Hansli, die hinter der Bühne auf der Bühne den Schluss abwarteten, eilen herbei.
Grosser Vorhang/Licht aus
Zweite Szene: Geduldsprobe
Gaststube im Ochsen. Aus verstaubten Boxen:
Radio Emmental. Zürichdeutscher Countryverschnitt. Emmentaler Cowboys. An den Wänden Ethnokitsch, Trophäenschränke der Ortsvereine, Plakate für Kon-zerte, Märkte und Shows.
Marija vernachlässigt, raucht, schlurft in Pantoffeln und schmutziger Schürze herum, beachtet die Fliegen in der Gaststube nicht. Schreit aufgebracht auf Kroatisch bei der Hintertür der Gaststube. Sad je dosta! Dosta je kad Ti kazem. Necu te vise ovdje da vidim. Jednom je zauvijek dosta. Hajde pakuj se. Nisam, pa da i spavam s gazdom sto se to tebe tice. Kurvin sine. Svinjo. Neces dobiti ni kinta vise od meine! Stellt Tischordnung her. [Es reicht! Es reicht, habe ich gesagt. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn hier nicht mehr sehen will! Einmal ist genug! Er soll sich packen! Nein! Und wenn ich mit dem Chef schlafen würde, ginge es ihn nichts an! Hurensohn! Drecksau! Von mir kriegt der keinen Rappen mehr!]
Auftritt Dagmar, Michaela und Hans.
Hans U itz e feine Ochsemusalat!
Michaela E huerefeine Ochsemusalat.
Hans Jää, dr Ochsemusalat isch fein hie, do. Vor der Prob.
Dagmar trägt T-Shirt mit Kreativzentrum Logo: Abheben, erleben, geniessen. Was? Ochsemusalat? Vor dr Prob? Isch das dy Ärnscht?
Hans Ochsemusalat? Du, Ochsemusalat, das isch d Spezi-alität hie, do.
Marija wechselt zu leicht gebrochenem, mit Dialekt durchsetztem Schweizerhochdeutsch. Hat der eine Ahnung! Aufheulen eines Motors, Quietschen von Reifen. Wenn der zurückkommt knallt’s! Habe ich ihm auch gesagt, dass nur für euch offen ist. Ja, sehr gut hier Oggsemuusalat. Oggsemuusalat hier super. Lacht. Jadna ja. [Ich arme] Was hast du bestellt? Bitte ich um Entschuldigung. Mann von Krieg… Deutet mit Handzeichen Kopfschaden an. Ja, klar, Oggsemuu-salat. Einmal Oggsemuusalat.
Dagmar Ochsemusalat.
Hans Klar, Ochsemusalat. Im Ochse vor jedere Prob Ochsemusalat.
Dagmar nimmt ihr Handy. Wo blybe die? U die wo da sy? Die bstelle Ochsemusalat.
Michaela während sie SMS eintippt. Ochsemusalat. Hä! De chasch huere besser schnurre, gäll, nächhär, wäg em Ochsemusalat.
Dagmar mit SMS beschäftigt. Jo, wäger. Ochsemusalat. Dä isch o ohni nit uf ds Mu gheit.
Hans Jo wäger.
Dagmar steht auf und dreht sich mit Handy ab. Jo, wäger. Sogar mit em Ochsemusalat im Mu.
Dagmar seufzt mit Handy. Das fat guet a. Dä Ochsemusalat.
Michaela gleichzeitig mit Handy beschäftigt. Aber wieder Gotthälf. Immer dä Gotthälf. Mir mache huere vil Gotthälf oder nit?
Hans Dr Gotthälf zieht halt. Dr Gotthälf het scho immer zoge.
Dagmar Das isch gar nit wahr. Mir mache überhoupt nüm vil Gotthälf. Angeri mache vil meh Gotthälf als mir.
Michaela Aber Anne Bäbi Jowäger! Weisch wie? Hueresiech. Anne Bäbi Jowäger.
Dagmar Mir mache no am wenigschte Gotthälf.
Hans Dä nöi Dütsch da, dä Regisseur, dä söll de nume nit mit Kreislimache cho u settigem Züg. Süsch potz Stärneföifi!
Michaela Was? Isch’s e Dütsche? Der nöi Regisseur, isch’s würklech e Dütsche?
Dagmar mit SMS beschäftigt. Jo wäger isch’s e Dütsche. Ja, es isch e Dütsche. Isch öppe öppis nit guet amene Dütsche? Es wär süsch o gar niemer cho, dahingere, als e Dütsche. Ein Auto fährt vor. Aha.
Hans Das wär mir ja no glych, aber de zäme töif schnuufe, enang d Häng gä, u derige Chabis, das man i de nit verputze.
Michaela reagiert für sich auf SMS. So ne Pumpi! Hueresiech! So ne Idiot! So ne Idiot. Hueresiech. Dä spinnt vilech wieder, ou nei!
Hans Enang a de Chlöpe häbe u i d Ouge luege. Ig hasse so Züg. Eine het einisch wölle, dass mir alli uf e Rügge lige u tüe wie d Hüng im Gras, we se öppis bysst. Daisch es Luege gsy.
Auftritt Natascha und Jack. Jack mit Spoiler unter dem Arm.
Natascha Itz nimmsch dä no mit i d Prob?
Jack Itz wott ig eifach nit, dass mir dä wieder so eine abschrubt. Nit drümal. Versteisch? Nit mir. Mir nit. Nit mir drümal der Spoiler! Versteisch?

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