Eine Auktionsreportage aus der Gallerie Koller in Zürich, von Beat Sterchi.
DIE WELTWOCHE, 9. Dez. 1999
Sichtlich erfreut steht der Käufer auf. Einer der überbotenen Konkurrenten streckt ihm gratulierend die Hand entgegen. Wegen dieses Bildes ist er hergekommen, dieses Bild hat er bekommen, jetzt geht er wieder. Innerhalb einer Woche ist er laut Auktionsbedingungen angehalten, das ersteigerte Objekt zu bezahlen und abzuholen.
Unmittelbar zuvor kamen ländliche Szenen unter den Hammer, der keiner ist. Bäume, viel Landschaft, braungrün und unversehrt, mit Haus, mit Fluss, mit oder ohne figürliches Beiwerk. Dann Kühe auf der Alm, Kühe auf der Weide, der Arc de Triomphe im Winter. Keins der Bilder war von schlechten Eltern. Alle waren zu haben von drei- bis zwanzigtausend Franken.
Jetzt werden Stilleben hereingetragen und vorgezeigt: Blumen, Trauben, Melonen. Nur eines geht unverkauft zurück. Ein Küchenstilleben mit Weinkrug, Kohl und erlegtem Geflügel in Öl auf Holz. Niemand will es für die ausgerufenen zweitausend Franken. Dabei wäre es, meint der Auktionator, ein Schnäppchen gewesen. Bestimmt weisss dies auch die Auktionsassistentin, die sich aber nichts anmerken lässt und das Bild mit ausdruckslosem Gesicht ebenso respektvoll hinausträgt, wie sie es hereingetragen hatte.
Dann ein Fischerhafen.
«Siebzigtausend! Zweiundsiebzigtausend! Vierundsiebzigtausend»!
Hier fährt eine Hand hoch, dort eine andere. Am Telefon wird mitgeboten. Um jeweils ungefähr 10% wird der Preis angehoben.
Spannung macht sich breit. ”Ein Boudin”, wird geraunt. Nach Katalog geht diesem Bild zwar nicht die Qualität, vielleicht aber die im Kunsthandel geschätzte Marktfrische ab. Schon vier Mal hat es in Paris und einmal in London die Hand gewechselt, bevor es jetzt abermals einen Käufer findet. ”Achtzig Tausend sind geboten! Niemand mehr? Zum ersten, zum zweiten und zum dritten!”
Dann ein österreichischer Landschaftsschinken. So viel turmhoher Himmel! So viel Sonnenuntergang! So viel Berg und See! Zwei Männer vermögen die in Gold gerahmte Pracht kaum zu tragen. Schon bei Viertausend Franken ist ausgeboten.
«Um Gottes Willen! Der Stilrahmen allein ist diesen Preis wert», meint da ein Sitznachbar zu seiner Begleiterin.
Dann Bilder vom südlichen Licht. Immer wieder das Meer, Flüsse, Häfen, Venedig. Schöne Wolken, die Ferne, der Süden, das Licht, die Sehnsucht, der Traum. Vom hier und jetzt nur ein dampfender Meiler aus der Hand eines Josua von Gietels.
Dieses Bild zeigt einen schwarzen Haufen Kohle, aber das Finstere ist zumindest für das Auge des Laien meisterlich aufgehellt und die zurückhaltend gezeichneten Details möchte man alle noch viel länger sehen. Das kleine Bild lädt zum Schauen ein. Und schon ist es weg. „Sechzehnhundert zum dritten“! Der Käufer freut sich über sein Schnäppchen, aber wenn danach eher banal gemalte Schafe an der Tränke im Stall einen viel besseren Preis erzielen, ist im Publikum auch Widerstand zu spüren. Man möchte am liebsten eingreifen. „Halt!“ möchte man rufen, aber der Markt kennt nicht nur künstlerische Kriterien und man lernt schnell, ein Bild auch mit seinen unsentimentalen Augen zu betrachten. Je höher ein Preis klettert, desto eher sucht man nach den versteckten, gut verkäuflichen Reizen, vergisst vielleicht sogar, das diese weder mit Kunst noch mit Qualität etwas zu tun hat.
Warum nur verdoppelt das biedere Schafsbild den oberen seiner beiden Richtpreise, die sich an den Zuschlägen für vergleichbare Objekte orientieren? „Siebentausend zum zweiten! Siebentausend zum dritten! Darf ich die Nummer sehen»?
Der Käufer zeigt seinen grünen Zettel mit seiner Nummer vor, denn wer mitbieten will, hat sich vorher zu legitimeiren. «Danke!» sagt der Auktionator und ruft einen Spitzweg aus, dem er „eine durchwegs schöne Provenienz“ attestiert. Weil Kunstgegenstände bekanntlich heikle Güter sind, die sich auch fälschen und stehlen lassen, ist eine gut dokumentierte und über jeden Zweifel erhabene Herkunftsgeschichte in diesem Geschäft alles andere als nebensächlich.
In dem lückenlosen Lebenslauf des Spitzwegbildes ist zu entnehmen, dass darin auch gerade dieses Haus schon einmal ein Rolle spielte. Im Jahre 1981 wurde Die Wäschebleiche von der Galerie Koller schon einmal für 156 000.- Franken versteigert. Inzwischen gibt es für die 41×20 cm auch in den Farben und den eingestreuten Anekdoten leicht gebleichte Vorstadtszene voller Frieden und Frohmut erst bei runden 300 000.- den Zuschlag.
Es ist ein Bild, das an einer grossen Spitzweg Ausstellung nicht fehlen darf, das in der Literatur erwähnt wird, ein Werk also von einem gewissen öffentlichen Wert. Der private Sammler, der so etwas an den eigenen Wänden wünscht, ist dafür auch bereit den Preis zu bezahlen.
Und wieder kommt Bewegung ins Publikum. Sämtliche Telefone sind besetzt. Eine eben noch vor sich hinkauende Assistentin hält den Atem an. Spannung kommt auf, plötzlich zeigt sich die Auktion von jener Seite, die man mit Reichtum, mit Pferderennen und mit Damen in ausladenden Hüten verbindet. „Vierhundertachtzigtausend zum ersten!“ Jetzt kommen jene Momente, in welchen die ganz grossen Leidenschaften in Zahlen übersetzt werden. Risiko, Triumpf oder Niederlage, jetzt ist alles in grossem Stil zu haben. Es ist ist die Stimmung, die man aus klassischen Filmen kennt. Die Preise jagen sich viel schneller von Hunderttausen zu Hunderttausen, als jemand die Banknoten hinlegen könnte. „Fünfhunderttausend zum zweiten! Fünfhundertzehntausend bei der Dame! Fünfhundertzehntausend zum zweiten! Und zum dritten! Sie haben es!“ Der Auktionator ist zufrieden. Das Paradestück hat ungefähr den vorausgeschätzten Preis geholt. Die erste Fassung von Giovanni Segantinis „Ave Maria bei der Überfahrt“. Ein Bild herrliches voller Leuchtkraft, ein Bild mit Geschichte. Von Sohn Gotthardo nach dem Tod des Vaters 1903 in dessen Sinn teilweis renoviert, als Reproduktionen der ersten Fassung schon fast in jeder Schweizerstube hing. Selbstverständlich kommt ein Guachten dazu.
Für 2000.- gibt es eine Landschaftsstudie von B. Menn einen Käufer. Wesentliche mehr wird für Zeichnungen, zwei sehr schöne und eine noch nicht ausgereifte Skizze aus der Hand von Meister und Lehrer Menns berühmtestem Schüler geboten. Auf mehr als 3000.- Franken bringt es ein Blatt, auf welchem Ferdinand Hodler nach der wirksamsten Stellung eines zuschlagenden Landsknechtes Studie zu einem Krieger suchte. Auch eine andere Skizze Hodlers, eine in ganz wenigen Strichen erfasste sitzende Frauenfigur von bereits ausgewogener Einfachheit und Eleganz erzielt mehr als 3000.-Franken.
Das Bildnis eines Freundes, Bildnis James Vibert, erzielt einen Preis kanpp unter dem unteren Richtpreis von 50000.- Die Stiftung für Schweizerkunst und Geschichte erstand diese Hodlersachen.
An einer Kunstauktion schaut man Bilder anders an!
man schaut es an und der Blumenstrauss, de man in der Vorbesichtigung der Auktion mit einem Blick gewürdigt, nicht einmal von Ferne beachtet hattte, weil man schon viel zu viele Blumensträsusse gesehen oder von Blumen in der Kunst einfach überhaupt nicht mehr so viel hält, diesen Blumenstrauss schaut man jetzt mehrmals und äuisserst aufmerksam an. Was? Dieses vergoldete Farbgemüse! 80 000! Und je weiter der Preis klettert, desto schärfer guckt man hin. Was? Da bietet jemand 85 000 für diesen lieblos gemalten Kitsch. Haben diese Leute keinen Geschmack mehr? Aber je mehr der Preis noch weiter klettert, versucht man ein Bild auch mit andern Augen zu sehen. Man schaut als einer von vielen. andere Reaktionen, Einschaätzungen sind spürbar und zu respektieren. Zwischendurch vergisst man vielleicht soagr, dass man auch mit den Augen des Marktes das Bild auf seine das Geheimnis seier Verkäuflichkeit prüft und sucht. Aber es ist an sich eine schöne Art Bilder zu betrachten. Man sitzt da, nimmt Teil an den Reaktionen des Saals,spürt die Stimmung, die jedem Bild entgegengebracht wird. Und es ist schön, wie Bilder herein getragen und vorgezeigt werden. Und es sind wirklich etliche dabei, die hätte man gerne noch langer angeschaut. Bei andern wundert man sich. Eine Riesenechse aufgespiesst in schwarzer Agonie: Hässlich, abstaossend das Bild, kitschig in seiner formalen, fast naiven Gefälligkeit. Aber noch klettert der Preis. Ist hier Leidenschaft, Kunstsachverstand oder skrupellose Geschäftstüchtigkeit dahinter? Dazu muss der ;Maler einen Namen haben, das Bild einen kunstunabhängigen Marktwert haben.
Der Marktrwert hat sich verselbstständigt. Zum Teil kunstunabhängig, weil der Künstler Bernard Buffet kürzlich verstorben ist. Fast möchte man gegen diese Ungerechtigkeit protestieren, dass ein schmaler, bekritzelter Streifen mehr wert haben soll als diese doch handwerklich mwieterliche und küntlerisch aurf der Höhe ihrer Zeit gemalten Landschaften und Stilleben, bloss weil er von Picasso signiert ist. Vierzigtausend ist der Markt bereit für ein Stück Papier zu bezahlen, das aus den Händen des Meisters des vorläufigen Meisters des Jahruhunderts kommt.
Man kann sich vorstellen, wie eine junge Dame rein zufällig, vielleicht bei einem Abendessen in die Nähe des grossen Meisters gerät, wie sie ihn noch bevor sie seinem Cahrme erliegt um ein Autogramm oder ein kleines Zeichen bittet. Jedes Papier ist dazu gut genug. Ceci est votre porträt, Mademoisselle schreibt Picasso zu dem Sdtichmaännchen ins einem Stil auf seine Art und heute ist die kleine Gefälligkeit 40000.- wert.
Eine Jagdszene mit einem schnüffelden Hund in einer schneebedeckten Waldlichtung findet darauf keinen Liebhaber. Die Leute haben Geschmack, hört man aus den rund 100 anwesenden Autionsteilnehmern und Zuschauern.
Kunst zum ersten! Zum zweiten und zum dritten!
”Schon wieder ein schönes Gemälde”! Das Publikum tuschelt, reckt die Hälse. ”Ein sehr schönes Gemälde”, fügt man noch hinzu. Die Auktionsassistentin stellt das Bild auf die dazu bereitstehende Staffelei und macht einen Schritt hinter das Kunstwerk zurück. Laut Katalog trägt es den Titel Mutter mit Kindern in der Küche . Gemalt wurde es von dem 1827 geborenen Holländer Jan Walrave. Es stellt eine Hausszene dar und zeugt von edler Handwerkskunst. Es strahlt auch Wärme aus und erzählt dem Betrachter Geschichten über das Leben in einer andern Zeit. Im Zentrum steht die Mutter mit einem Kind auf der Schulter und dem andern zu Füssen. Ein Hund ist da, auch ein Kätzchen, auf dem Herd brennt ein Feuer und durch eine handbreit geöffnete Tür dringt auch noch etwas graue Aussenwelt in die häusliche Idylle. Das Motiv hat möglicherweise für immer ausgedient, doch hier in diesem Gemälde ist es sehr ansprechend gemeistert und dessen Preis klettert von den zuerst ausgerufenen fünftausend schnell auf sechs, sieben, achttausend Franken.
Auch am Telefon wird geboten.
«Zehntausend zum ersten! Zehntausend zum zweiten»!
Der Hammer fällt noch immer nicht.
Der Hammer ist allerdings nur ein Bleistift und der die Versteigerung abschliessende Zuschlag erfolgt auf das Mikrophon des Auktionators. «Elftausendfünfhundert zum dritten»!
Sichtlich erfreut steht der Käufer auf. Einer der überbotenen Konkurrenten streckt ihm gratulierend die Hand entgegen. Wegen dieses Bildes ist er hergekommen, dieses Bild hat er bekommen, jetzt geht er wieder. Innerhalb einer Woche ist er laut Auktionsbedingungen angehalten, das ersteigerte Objekt zu bezahlen und abzuholen.
Unmittelbar zuvor kamen ländliche Szenen unter den Hammer, der keiner ist. Bäume, viel Landschaft, braungrün und unversehrt, mit Haus, mit Fluss, mit oder ohne figürliches Beiwerk. Dann Kühe auf der Alm, Kühe auf der Weide, der Arc de Triomphe im Winter. Keins der Bilder war von schlechten Eltern. Alle waren zu haben von drei- bis zwanzigtausend Franken.
Jetzt werden Stilleben hereingetragen und vorgezeigt: Blumen, Trauben, Melonen. Nur eines geht unverkauft zurück. Ein Küchenstilleben mit Weinkrug, Kohl und erlegtem Geflügel in Öl auf Holz. Niemand will es für die ausgerufenen zweitausend Franken. Dabei wäre es, meint der Auktionator, ein Schnäppchen gewesen. Bestimmt weisss dies auch die Auktionsassistentin, die sich aber nichts anmerken lässt und das Bild mit ausdruckslosem Gesicht ebenso respektvoll hinausträgt, wie sie es hereingetragen hatte.
Dann ein Fischerhafen.
«Siebzigtausend! Zweiundsiebzigtausend! Vierundsiebzigtausend»!
Hier fährt eine Hand hoch, dort eine andere. Am Telefon wird mitgeboten. Um jeweils ungefähr 10% wird der Preis angehoben.
Spannung macht sich breit. ”Ein Boudin”, wird geraunt. Nach Katalog geht diesem Bild zwar nicht die Qualität, vielleicht aber die im Kunsthandel geschätzte Marktfrische ab. Schon vier Mal hat es in Paris und einmal in London die Hand gewechselt, bevor es jetzt abermals einen Käufer findet. ”Achtzig Tausend sind geboten! Niemand mehr? Zum ersten, zum zweiten und zum dritten!”
Dann ein österreichischer Landschaftsschinken. So viel turmhoher Himmel! So viel Sonnenuntergang! So viel Berg und See! Zwei Männer vermögen die in Gold gerahmte Pracht kaum zu tragen. Schon bei Viertausend Franken ist ausgeboten.
«Um Gottes Willen! Der Stilrahmen allein ist diesen Preis wert», meint da ein Sitznachbar zu seiner Begleiterin.
Dann Bilder vom südlichen Licht. Immer wieder das Meer, Flüsse, Häfen, Venedig. Schöne Wolken, die Ferne, der Süden, das Licht, die Sehnsucht, der Traum. Vom hier und jetzt nur ein dampfender Meiler aus der Hand eines Josua von Gietels.
Dieses Bild zeigt einen schwarzen Haufen Kohle, aber das Finstere ist zumindest für das Auge des Laien meisterlich aufgehellt und die zurückhaltend gezeichneten Details möchte man alle noch viel länger sehen. Das kleine Bild lädt zum Schauen ein. Und schon ist es weg. „Sechzehnhundert zum dritten“! Der Käufer freut sich über sein Schnäppchen, aber wenn danach eher banal gemalte Schafe an der Tränke im Stall einen viel besseren Preis erzielen, ist im Publikum auch Widerstand zu spüren. Man möchte am liebsten eingreifen. „Halt!“ möchte man rufen, aber der Markt kennt nicht nur künstlerische Kriterien und man lernt schnell, ein Bild auch mit seinen unsentimentalen Augen zu betrachten. Je höher ein Preis klettert, desto eher sucht man nach den versteckten, gut verkäuflichen Reizen, vergisst vielleicht sogar, das diese weder mit Kunst noch mit Qualität etwas zu tun hat.
Warum nur verdoppelt das biedere Schafsbild den oberen seiner beiden Richtpreise, die sich an den Zuschlägen für vergleichbare Objekte orientieren? „Siebentausend zum zweiten! Siebentausend zum dritten! Darf ich die Nummer sehen»?
Der Käufer zeigt seinen grünen Zettel mit seiner Nummer vor, denn wer mitbieten will, hat sich vorher zu legitimeiren. «Danke!» sagt der Auktionator und ruft einen Spitzweg aus, dem er „eine durchwegs schöne Provenienz“ attestiert. Weil Kunstgegenstände bekanntlich heikle Güter sind, die sich auch fälschen und stehlen lassen, ist eine gut dokumentierte und über jeden Zweifel erhabene Herkunftsgeschichte in diesem Geschäft alles andere als nebensächlich.
In dem lückenlosen Lebenslauf des Spitzwegbildes ist zu entnehmen, dass darin auch gerade dieses Haus schon einmal ein Rolle spielte. Im Jahre 1981 wurde Die Wäschebleiche von der Galerie Koller schon einmal für 156 000.- Franken versteigert. Inzwischen gibt es für die 41×20 cm auch in den Farben und den eingestreuten Anekdoten leicht gebleichte Vorstadtszene voller Frieden und Frohmut erst bei runden 300 000.- den Zuschlag.
Es ist ein Bild, das an einer grossen Spitzweg Ausstellung nicht fehlen darf, das in der Literatur erwähnt wird, ein Werk also von einem gewissen öffentlichen Wert. Der private Sammler, der so etwas an den eigenen Wänden wünscht, ist dafür auch bereit den Preis zu bezahlen.
Und wieder kommt Bewegung ins Publikum. Sämtliche Telefone sind besetzt. Eine eben noch vor sich hinkauende Assistentin hält den Atem an. Spannung kommt auf, plötzlich zeigt sich die Auktion von jener Seite, die man mit Reichtum, mit Pferderennen und mit Damen in ausladenden Hüten verbindet. „Vierhundertachtzigtausend zum ersten!“ Jetzt kommen jene Momente, in welchen die ganz grossen Leidenschaften in Zahlen übersetzt werden. Risiko, Triumpf oder Niederlage, jetzt ist alles in grossem Stil zu haben. Es ist ist die Stimmung, die man aus klassischen Filmen kennt. Die Preise jagen sich viel schneller von Hunderttausen zu Hunderttausen, als jemand die Banknoten hinlegen könnte. „Fünfhunderttausend zum zweiten! Fünfhundertzehntausend bei der Dame! Fünfhundertzehntausend zum zweiten! Und zum dritten! Sie haben es!“ Der Auktionator ist zufrieden. Das Paradestück hat ungefähr den vorausgeschätzten Preis geholt. Die erste Fassung von Giovanni Segantinis „Ave Maria bei der Überfahrt“. Ein Bild herrliches voller Leuchtkraft, ein Bild mit Geschichte. Von Sohn Gotthardo nach dem Tod des Vaters 1903 in dessen Sinn teilweis renoviert, als Reproduktionen der ersten Fassung schon fast in jeder Schweizerstube hing. Selbstverständlich kommt ein Guachten dazu.
Für 2000.- gibt es eine Landschaftsstudie von B. Menn einen Käufer. Wesentliche mehr wird für Zeichnungen, zwei sehr schöne und eine noch nicht ausgereifte Skizze aus der Hand von Meister und Lehrer Menns berühmtestem Schüler geboten. Auf mehr als 3000.- Franken bringt es ein Blatt, auf welchem Ferdinand Hodler nach der wirksamsten Stellung eines zuschlagenden Landsknechtes Studie zu einem Krieger suchte. Auch eine andere Skizze Hodlers, eine in ganz wenigen Strichen erfasste sitzende Frauenfigur von bereits ausgewogener Einfachheit und Eleganz erzielt mehr als 3000.-Franken.
Das Bildnis eines Freundes, Bildnis James Vibert, erzielt einen Preis kanpp unter dem unteren Richtpreis von 50000.- Die Stiftung für Schweizerkunst und Geschichte erstand diese Hodlersachen.
An einer Kunstauktion schaut man Bilder anders an!
man schaut es an und der Blumenstrauss, de man in der Vorbesichtigung der Auktion mit einem Blick gewürdigt, nicht einmal von Ferne beachtet hattte, weil man schon viel zu viele Blumensträsusse gesehen oder von Blumen in der Kunst einfach überhaupt nicht mehr so viel hält, diesen Blumenstrauss schaut man jetzt mehrmals und äuisserst aufmerksam an. Was? Dieses vergoldete Farbgemüse! 80 000! Und je weiter der Preis klettert, desto schärfer guckt man hin. Was? Da bietet jemand 85 000 für diesen lieblos gemalten Kitsch. Haben diese Leute keinen Geschmack mehr? Aber je mehr der Preis noch weiter klettert, versucht man ein Bild auch mit andern Augen zu sehen. Man schaut als einer von vielen. andere Reaktionen, Einschaätzungen sind spürbar und zu respektieren. Zwischendurch vergisst man vielleicht soagr, dass man auch mit den Augen des Marktes das Bild auf seine das Geheimnis seier Verkäuflichkeit prüft und sucht. Aber es ist an sich eine schöne Art Bilder zu betrachten. Man sitzt da, nimmt Teil an den Reaktionen des Saals,spürt die Stimmung, die jedem Bild entgegengebracht wird. Und es ist schön, wie Bilder herein getragen und vorgezeigt werden. Und es sind wirklich etliche dabei, die hätte man gerne noch langer angeschaut. Bei andern wundert man sich. Eine Riesenechse aufgespiesst in schwarzer Agonie: Hässlich, abstaossend das Bild, kitschig in seiner formalen, fast naiven Gefälligkeit. Aber noch klettert der Preis. Ist hier Leidenschaft, Kunstsachverstand oder skrupellose Geschäftstüchtigkeit dahinter? Dazu muss der ;Maler einen Namen haben, das Bild einen kunstunabhängigen Marktwert haben.
Der Marktrwert hat sich verselbstständigt. Zum Teil kunstunabhängig, weil der Künstler Bernard Buffet kürzlich verstorben ist. Fast möchte man gegen diese Ungerechtigkeit protestieren, dass ein schmaler, bekritzelter Streifen mehr wert haben soll als diese doch handwerklich mwieterliche und küntlerisch aurf der Höhe ihrer Zeit gemalten Landschaften und Stilleben, bloss weil er von Picasso signiert ist. Vierzigtausend ist der Markt bereit für ein Stück Papier zu bezahlen, das aus den Händen des Meisters des vorläufigen Meisters des Jahruhunderts kommt.
Man kann sich vorstellen, wie eine junge Dame rein zufällig, vielleicht bei einem Abendessen in die Nähe des grossen Meisters gerät, wie sie ihn noch bevor sie seinem Cahrme erliegt um ein Autogramm oder ein kleines Zeichen bittet. Jedes Papier ist dazu gut genug. Ceci est votre porträt, Mademoisselle schreibt Picasso zu dem Sdtichmaännchen ins einem Stil auf seine Art und heute ist die kleine Gefälligkeit 40000.- wert.
ne Jagdszene mit einem schnüffelden Hund in einer schneebedeckten Waldlichtung findet darauf keinen Liebhaber. Die Leute haben Geschmack, hört man aus den rund 100 anwesenden Autionsteilnehmern und Zuschauern.
Der Auktionator Cyril Koller scheint jedenfalls zufrieden. Sein Paradestück hat ungefähr den vorausgeschätzten Preis geholt.