Das Schwein und der Baum
©Pénélope Henriod Das Schwein und der Baum.

Aus der Koproduktion von : Théâtre en Flammes, L’Arsenic et le Théâtre Saint-Gervais, Genève

Das Stück

Auftritt der Bauer. Offensichtlich gerade aufgestanden. Er hört der Hymne zu bis zum Schluss.

Ein Bauer:

Lio-ba! Li-o-ba!

Etwas später kommt das Pferd. Es versucht zu traben, aber es hinkt..

Ein Bauer:

Hallo Pferd, wie geht’s dir?

Ein Pferd:

Ach Bauer, ich gehe lahm.
Ich gehe lahm, aber noch lebe ich.

Ein Bauer:

Dir muss aber klar sein Pferd,
dass jetzt wiederum einer dieser Tage anbricht,
die von unserer alten Abmachung gesegnet sind.
Unsere alte Abmachung,
die uns einbindet als Teil in einem Ganzen.
Verstehst du?
Wir arbeiten auf den Feldern
und die Felder geben uns ihre Frucht zurück.
Wir pflegen das Land
und dieses zeigt uns dafür, wie schön es ist.
So geht unser Gelübde und so geht unser Leben.
Heute und für immer und ewig, Amen.

Ein Pferd:

Darauf haben wir geschworen
und so ist unser Leben Bauer.
Und wir bitten den Lieben Gott
und das Vaterland darum,
dass das immer so bleibt.

Ein Bauer:

Und wir bitten den Lieben Gott
und das Vaterland darum,
dass das immer so bleibt.

Die Sonne geht weiter auf.

Ein Bauer:

Teufel noch einmal ist das schön!

Ein Pferd:

Zum Wiehern schön ist das.

Ein Bauer:

Und Pferd, was meinst du?
Wollen wir auf den Acker fahren?

Ein Pferd:

Aber sicher Bauer, packen wir’s an!

Sie beginnen zu arbeiten: Der Bauer schirrt das Pferd an und das Fuhrwerk dreht mehrere Runden auf der Bühne.

3. Die Ankündigung

Weibliche Stimme:

Lioba! Lio-ba!

Der Bauer zieht am Zügel des Pferdes und erstarrt.

Ein Bauer:

Hoooooh!
Halt!

Das Pferd steht still.

Ein Bauer:

Du Pferd, hörst du nichts?
Dieses alte Lied.
Ich glaube, man ruft nach uns.

Weibliche Stimme:

Lioba! Lio-ba!

Ein Pferd:

Was? Eine Frauenstimme!
Du Bauer?
Wir erwarten doch nicht etwa eine Frau?

Ein Bauer: voller Hoffnung.

Nicht dass ich wüsste Pferd.

Der Tod taucht auf.

Ein Bauer:

Jetzt aber verdammt nochmal!

Ein Pferd:

Kennst du den?

Ein Bauer:

Das ist der Tod.
Kommt jetzt schon der Tod?

Ein Pferd:

Jetzt schon?

Ein Bauer:

Jetzt schon.

Der Tod kommt näher.

Der Tod:

Du Bauersmann, das ist ja unmöglich!
Dieser Saustall rund um dein Haus.

Ein Bauer:

Ich habe doch schon genug zu tun.
Und immer noch schön aufräumen,
das geht doch nicht,
dazu habe ich keine Zeit.
Wir sind nicht in einem Museum.
Was suchst du hier Tod?

Der Tod:

Du musst aufhören Bauer.

Ein Bauer:

Du musst mich entschuldigen,
ich habe gerade viel zu tun.
Ich muss säen, verstehst du?
Ich füttere den Boden,
damit dieser uns Menschen dann zu essen gibt.

Der Tod:

Eben gerade nicht Bauer.
Ich verlange von dir,
dass du damit aufhörst:
Mit deiner Arbeit hier,
mit diesem ganzen Leben da mit diesen Tieren,
mit all diesem morgentlichen Beten und Singen.
Morgen, noch vor Mittag,
muss mit all dem endlich schluss sein.

Ein Bauer:

Ich soll in den Ruhestand? Jetzt schon?
Aber schau mich doch an!
Meinst du ich könne nicht mehr?
Und dieses Pferd hier?
Tod, schau doch mal!
Das ist doch noch sehr gesund und kräftig.

Der Tod:

Ich rede nicht vom Ruhestand Bauer.
Ich rede vom Ende aller Bauern.
Die Welt braucht euch nicht mehr.

Ein Bauer:

Die Welt braucht uns nicht mehr?
Und wovon wollen die Menschen dann leben?
Und wer kümmert sich dann um die Natur?

Der Tod:

Deine Menschen!
Deine Menschen, Bauer,
die haben schon von allem mehr als genug.
Die Menschen können es ganz gut
ohne deine Äpfel machen.
Und deine Gerste und deine Schlachtplatte,
die brauchen sie schon lange nicht mehr.

Ein Bauer:

Lieber Tod, jetzt aber bitte mal schön langsam!
Das, was immer war, das bleibt erst einmal so.
Eine Welt ohne Bauern gibt es nicht
und kann es auch gar nicht geben.

Der Tod:

Bauersmann, schnallst du es noch immer nicht?
Die Welt, die Welt da draussen,
die braucht euch nicht mehr.
Du taugst zu nichts mehr.
Es wäre besser, du würdest endlich abhauen.

Ein Bauer:

Das ist nicht möglich.
Das geht unmöglich,
dass die Bauern zu nichts mehr taugen sollen.
Also ich bitte dich!
Ja, ein Stein vielleicht oder das Unkraut.
Aber sicher nicht ein Bauer.

Der Tod:

Doch! Morgen muss alles weg sein.
Und zwar noch vor dem Mittagessen:
Die Tiere, der ganze Klimbim,
dieses ganze Leben hier.
Allles!
Hast du jetzt endlich verstanden?
Halt dich mal ein bisschen ran Bauersmann!
Du bist nämlich der Letzte.

Ein Bauer:

Ich bin der Letzte, Tod?

Der Tod:

Der letzte Bauersmann.
Der letzte von allen Bauern.

Ein Bauer:

Was ist denn mit den andern?

Der Tod:

Liquidiert, Bauer.

Ein Bauer:

Ist doch nicht wahr Tod?
Und was ist mit all dem Land hier?

Der Tod:

Das Land gibt es nicht mehr.
Das wurde auch schon längst liquidiert.

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