Le boucher Corpaato: Der malende Koch.

Corpaato, Rinderhälften
Corpaato, Rinderhälften

Der Maler „Le boucher Corpaato“ ist Künstlerkoch, Kochkünstler und Lebenskünstler in einem. Ein Besuch in seinem Privatmuseum hoch über der Altstadt von Freiburg.
Dort in der Metzgerei, auf der anderen Seite der Saane, wo er einst Fleischstücke für den Verkauf ausgebeint hat, dort hat er anfänglich auch gemalt. In der weissen Berufskleidung und mit dem Metzgermesser malte er bunt und frech geschlachtete Tierhälften, Kalbsköpfe und Innereien in grossen und kleinen Formaten.

Mit einem angeborenen Flair für aufsehenerregende Aktionen machte er damals für das Guiness-Buch der Rekorde auch die längste Blutwurst der Welt und sich selbst ziemlich schnell weit über Freiburg hinaus einen Namen als Künstler der ganz besonderen Art.
Heute nennt er solche Aktionen „seinen Zirkus von früher“. Aber Blutwurst macht er noch immer, allerdings nun als Betreiber des Kantinenrestaurants im eigenen Museum, wo er Gruppen und Gesellschaften bekocht.
Er wisse selbst nicht warum, aber seine Blutwurst sei nach wie vor berühmt und auch im Sommer gefragt. Verschmitzt fügt er noch hinzu, es sei vielleicht nicht die beste Blutwurst, die es gebe, sicher aber sei es die teuerste, denn nun verkaufe er sie nicht mehr am Stück im Laden, sondern scheibchenweise auf dem Teller.

Kuriosum Sonnenberg

„Le boucher Corpaato“ – Jean-Pierre Corpataux heisst er mit bürgerlichem Namen – weiss im Gespräch zu sprudeln und zu lachen, denn er sprüht vor Witz und Ideenreichtum, dass es eine Freude ist. Mit dem ehemaligen Nonnenkloster Sonnenberg scheint er einen Wirkungsort gefunden zu haben, der seiner ebenso originellen wie unkonventionellen Unternehmungslust und seinen kreativen Schüben angemessenen ist. „Kuriosum Sonnenberg“, nennt er den fürstlichen, hoch über der Saane thronenden Bau. Auf mehreren Stockwerken sind hier neben wechselnden Ausstellungen unglaublicherweise buchstäblich Tausende seiner Bilder zu sehen.
Hier arbeitet und amüsiert er sich von früh bis spät. Er arbeite gerne, sagt er, wobei er beim Ausführen der einen Arbeit schon an die nächste denke: Beim Kochen ans Malen und beim Malen schon wieder an das nächste Gericht. Er male nicht nur schnell, er mache alles schnell.

Froher Provokateur

Das ist den Bildern auch anzusehen. Trotzdem hat er von den Naiven höchstens die formale Unbekümmertheit, denn „Le boucher Corpaato“ spielt mit den an ihn gestellten Erwartungen. Wie der Kunstbetrieb selbst, provoziert er, wo er kann, missachtet dabei jede Regel, aber er tut es mit Freude.
Seine Bilder leuchten vor Farbigkeit! Und wer genau hinguckt, findet unter den Massen von Leinwänden manch entschieden einzigartig gelungenes Bild, wobei nicht sicher ist, ob dies dem Meister überhaupt bewusst oder wichtig ist. Alle seien ihm gleich wichtig, sagt er. Und jedes habe er zwar schnell, rasend schnell sogar, aber mit Herzblut gemalt.

Im Röstigraben zuhause

Elegant wechselt er immerfort vom Französischen ins Freiburgerdeutsche, das er genüsslich vollmundig dehnt und silbenweise kostet. Er ist einer von jenen Bewohnern des Röstigrabens, die nie von ihrer Zweisprachigkeit reden, weil sie daraus bereits etwas Drittes gemacht haben.
„Ich bin Fleischmaler! Und wenn ich sage, ich bin der beste Fleischmaler der Welt, dann sage ich das, weil ich kein Modell brauche. Ich weiss, was ich male. Vous comprennez?“ Das heisse jedoch nicht, dass er mit Blut male, wie ihm auch schon nachgesagt worden sei.

Alimentalität und Gebrauchskunst

Auch am Herd der unbestechliche Künstler, entscheidet „Le boucher Corpaato“ über seine zahlenden Gäste hinweg, was gekocht und aufgetischt wird. Gemäss seinem Prinzip der „Alimentalität“ wird über jedes Essen gesprochen. Nicht nur kulinarisch, sondern auch philosophisch und politisch. Es wird an den Bauern, an den Käser wie an die andern bei der Bereitstellung einer Speise beteiligten Berufen gedacht und ihnen so der gebührende Tribut gezollt. Und handelt es ich um ein Fleischgericht, wird dessen Herkunft nicht verdrängt, sondern das Tier wird als Opfer gewürdigt. Geplant wird ein Menu aber nicht zum voraus, vielmehr entsteht es wenige Stunden bevor es zubereitet wird. Er müsse sehen, was sich an einem bestimmten Tag anbiete, er müsse spüren, was er kochen wolle. Und weil er auch ohne jegliche moderne Nachbereitungs- Regenerier- oder Warmhalteapparaturen koche, verlange er vom Gast Pünktlichkeit. Sonst werde er böse.
Ebenso verlangt er, dass die täglich neu gestaltete, sowohl auf Französisch wie auf Deutsch phonetisch geschriebene Menukarte als Tischset gebraucht wird und nicht unbenützt und frei von Flecken zusammengefaltet als „echter Corpaato“ in einer Handtasche verschwinde. „Das ist Gebrauchskunst, das muss gebraucht werden“, sagt er in einem Ton, der keine Widerrede duldet.

corpaato.ch

sda/sfd 2005