Klapheck Schreibmaschine
Konrad Klapheck, Die Schreibmaschine 1955

Die Kolumne soll. Die Kolumne hat schon. Die Kolumne legt los. Die Kolumne ist ein Meinungsbeitrag vom Umfang einer Druckspalte. Eine Kolumne ist eben eine Kolumne. Säule heisst das auf Deutsch. Pfeiler auf Berndeutsch. Die Kolume soll aber kein Laubenpfeiler sein. Laubenpfeiler fangen immer bernisch bodenständig und aufrecht an, krümmen und verbeugen sich dann doch wieder vor jedem der gerade vorbeikommt. Die Kolumne steht unerschütterlich. Sie zettelt Skandale an, kämpft gegen die Korruption im Ausland. Die Kolumne hat auch schon Regierungen gestürzt. Im Ausland. In Amerika (Ah in Amerika!) da gab es Kolumnen die erschienen in l5o Zeitungen in Auflagen von mehr als zehn Millionen. Präsidenten lasen gewisse Kolumnen noch vor dem Wetterbericht. Grosse Meister hat die Kolumne in Amerika hervorgebracht. Z.B. Mark Twain. Der inoffizielle Schweizer Kolumnenmeister heisst Peter Bichsel und stammt aus Solothurn. Eine Kolumne muss die Meinung des Autors klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Noch deutlicher, wenn es sich um eine Autorin handelt. Das ist so. Die Kolumne soll ein Fenster sein zu einer persönlichen Sicht auf die Welt. Die Kolumne muss leicht zugänglich sein. Möglichst so, dass sie zwischen zwei bis drei Tramhaltestellen passt. Die Kolumne soll so tun, als bestünde die Zeitung sonst nur aus objektiv erfassten Tatsachen. Die Kolumne soll nachwirken. Möglichst den ganzen Tag. Oder mindestens zwei Tramhaltestellen weiter. Eine Kolumne muss nicht frech sein, aber wenn sie die richtigen vor den Kopf stösst haben die andern Freude. Die Kolumne soll überhaupt immer den richtigen aus der Seele sprechen. Die Kolumne muss enthalten, was jeder und jede schon lange einmal aussprechen oder wenigstens denken wollte. In Amerika (Ah, in Amerika!) da gab es Zeiten in welchen die halbe Bevölkerung nur wiederholte was ihr Leibkolumnist von sich gegeben hat. Mit den Kolumnistinnen war es nicht anders. Die Kolumne bemüht sich auch um die edlen Werte. Die Kolumne beginnt zwar oft mit einer Anekdote, mit einer kleinen Geschichte aus der Stadt, vielleicht auch mit einer Verleumdung. Das sorgt für Aufsehen. Oder mit einem Dutzend Nummern von Autos, die an den Fussgängerstreifen der Stadt gerade wieder mal das Vortrittsrecht der Fussgänger missachtet haben. Sorgt für Protest. Aber dann kümmert sich die Kolumne um die Freiheit, um die Schönheit, um die Wahrheit und um die Gerechtigkeit. Auch wenn das nicht angenehm ist. Aber wozu diente die Freiheit, wenn nicht dazu, auszusprechen, was niemand hören will. (Hat George Orwell gesagt.) Für die Wahrheit darf alles gehalten werden, aber überzeugend muss es vorgebracht sein. In Amerika (Ah in Amerika!)glauben alle, die laut und überzeugend vorgebrachte Meinung sei die richtige Meinung. Das weiss mittlerweile jeder tüchtige Geschäftsmann. So ist die Kolumne. Das ist ein Kolumne. Eine Kolumne soll. Eine Kolumne legt los. Eine Kolumne kann Eine Kolumne muss nicht immer. Eine Kolumne hat schon. Eine Kolumne beginnt. Eine Kolumne endet.

Erschienen am 29.11.1995 im Anzeiger der Stadt Bern.