Es gibt Sachen, an denen niemand mehr unberührt vorbeikommt.
Es gibt Leute, die so tun als würden sie von Fussball eine ganze Menge verstehen und es gibt Leute, die tun so, als würden sie davon gar nichts verstehen.

Fussball
Die Ersteren verwechseln das Spielfeld zwar gerne mit dem Umfeld, aber Fussball kommt am Fernsehen, also hat man sich damit zu befassen. Diese Leute sind in der Regel vor allem über das Privatleben gewisser Starspieler informiert. Sie wissen, dass der englische Flankenspezialist Beckham kürzlich von seiner Spicegirlfreundin einen Jaguar oder gar einen Rolls Royce als Fünftwagen zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. (Es sei ihr nichts besseres eingefallen, habe sie verlauten lassen.) Unter einer Flanke können sie sich aber kaum etwas vorstellen und manchmal ist ihnen sogar der Unterschied zwischen einem Foulpenalty und einem Corner nicht nur fremd, sondern eigentlich gleichgültig. Es sind die Leute, die sich im geheimen den Kopf darüber zerbrechen, warum ausgerechnet jener Spieler, der im eigenen Pullover spielen muss, weil für ihn keines der schönen Trikots mehr übrigblieb, so privilegiert ist, dass er offensichtlich den Ball in die Hände nehmen darf. Es sind auch diese Leute, die im Schiedsrichter einen Teilzeitzauberer vermuten. Einer, der das manchmal doch eher zähflüssige und langwierige Hin und Her von Bällen und Beinen mit irgendwelchen Kartentricks auflockert. Sie vermuten zwar, dass sie die Tricks mit der gelben und roten Karte gar nicht richtig verstehen, weil sie sich nicht blossstellen wollen, stellen sie aber lieber keine dummen Fragen.

Und dann gibt es die Leute, die es schick finden, zu behaupten, sie verstünden nichts, aber auch gar nichts von Fussball. Es gibt sogar solche, die meinen, so zu tun, als würden sie nichts von Fussball verstehen, sei ein Zeichen von Aufgeschlosseheit und überdurchschnittlicher Intelligenz. Sie möchten suggerieren, dass sie weit über jenen Massen stehen, die das aufgebauschte Theater um den runden Ball so ernst nehmen, weil sie damit persönliche Mängel kompensieren.
Sie sehen im Fussball gerne einen Kampfsport. Einen Kriegsersatz. Die dazugehörigen Fans sind dann nichts als unverbesserliche Nationalisten, fremdbestimmt und ferngesteuert.
Andere reden von verkappter Homosexualität. Dieser Aufwand, um ein paar stramme Männerbeine zu sehen! Einfach lächerlich! finden diese.
Auch Umberto Eco verkündet, Fussball gefährde die Gesundheit der Massen und sei eine Angelegenheit für Voyeure – durch und durch faschistisch, basta!
Aber Eco hat offensichtlich kapiert, dass bekanntlich auch jene, die sich nicht für Meteorologie interessieren vom Regen nass werden. Man mag die Kunst der Helden in kurzen Hosen bewundern oder nicht, sich dem Phänomen Fussball ganz zu verschliessen geht in dieser Welt nicht mehr.

Erschienen in Anzeiger der Stadt Bern