Selo Pele 1000 gols 10 CtsUmberto Eco rümpft wie so mancher andere darüber die Nase und nennt es ein sich stumpfsinnig wiederholendes Spektakel für entfremdete Massen. Andere Literaten zeigen sich fasziniert vom gesellschaftlichen Phänomen Fussball, bekunden offenherzig Sympathien für das längst industrialisierte und globalisierte Spiel um Tore, Ruhm und Geld.

Der erfolgsverwöhnte Javier Marias publizierte sogar eine Sammlung von Fussballkolumnen und gab sich auch im deutschen Sprachgebiet als bedingungsloser Anhänger des erfolgsverwöhnten Real Madrid zu erkennen. Peter Bichsel liebt seinen FC. Solothurn und Georges Haldas verpasste freiwillig kein Spiel des FC. Servette. Dem Genfer Poeten bedeutete das wöchentlich auf grünem Rasen zelebrierte Ritual so viel, dass er es in «Die Legende vom Fussball», einem wunderbar detailreichen Buch, umfassend besungen hat. Dass man sich beim Schreiben am Fussball anlehnen kann, ohne dovon sehr viel zu verstehen, zeigte dagegen Peter Handke mit seinem frühen Roman «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter».
Nobelpreisträger Günter Grass widmete dem Ball, der für so viele Leute die Welt, wenn nicht Gott bedeutet, zwar noch keinen Roman, wohl aber Gedichte und in seinem ehrgeizigen Jahrhundertbuch liess er es sich nicht nehmen, den Tag, an welchem Deutschland im Berner Wankdorfstadion Weltmeister wurde, als den wichtigsten Tag des Jahres 1954 zu beschreiben. Von Grass ist auch bekannt, dass er sich öffentlich für den Aussenseiter FC Freiburg und dessen Spielkultur zu begeistern wusste, privat aber auch mal bei einem Spiel der deutschen Nationalelf mitfiebert. Vielleicht trifft auch auf Grass zu, womit der katalanische Grossschriftsteller und Krimiautor Vasquez-Montalban seine Anhängerschaft zum FC. Barcelona rechtfertigt. Schriftsteller und Intellektuelle könnten als extrem individuel funktionierende Einzelkämpfer nirgends sonst in den Genuss eines Kolletiverfolges gelangen. Eine Wohltat offensichtlich, auf die auch komplexe Gemüter nicht gerne permanent verzichten.

Erschienen in: Saemann 2006